Kunstquartier Bethanien, Studio 1

Samstag 5.11., 18.00 Uhr – Videodokumentation

I Am Sitting in a Room

Matthias Lorenz & Samuel Stoll & Ernst Surberg

© Rolf Schoellkopf, Andi Zant, Johannes Kreidler
© Rolf Schoellkopf, Andi Zant, Johannes Kreidler

Programm

  • Alvin Lucier
    Glacier(2009)
    for cello solo
  • Alvin Lucier
    I Am Sitting in a Room(1969)
    for voice and electroacoustic tape
  • Alvin Lucier
    Step, Slide and Sustain(2014)
    for horn in f, cello and piano
  • Interview
    Matthias Lorenz im Gespräch mit Leonie Reineke
  • Interview
    Samuel Stoll im Gespräch mit Leonie Reineke

Matthias Lorenz – Violoncello | Samuel Stoll – Horn | Ernst Surberg – Klavier


Eine Hommage zum ersten Todestag des US-amerikanischen Komponisten und Pioniers der Klangforschung und experimentellen Musik Alvin Lucier (1931 – 2021). Das epochale Werk I Am Sitting in a Room von 1969 im Mittelpunkt des Abends. Ein allmählicher Prozess, der gesprochene Sprache in Töne transformiert.

Luciers gesamte künstlerische Arbeit basiert auf Verläufen, die eine ganz allmähliche Veränderung von Zuständen thematisieren. Sie lassen das Publikum wie durch ein Mikroskop einer wissenschaftlichen Versuchsanordnung an der Entstehung von musikalischen Gebilden teilhaben.

Glacier (2009) für Cello solo basiert auf einem Diagramm der durchschnittlichen Massenbilanz von 30 Gletschern über einen Zeitraum von 24 Jahren, von 1980 bis 2004. Glacier wurde von Feet to the Fire, Exploring Global Climate Changes from Science to Art, einem Projekt der Wesleyan University (Conneticut/USA), in Auftrag gegeben. Der US-amerikanische Musikkritiker Mark Swed schreibt über das Stück: „In Glacier entstehen aus scheinbar reinen Tönen seltsame Artefakte. Dass sie sehr schön sein können, macht sie nur noch beunruhigender. Die großen Klimaereignisse erregen leicht unsere Aufmerksamkeit. Was Lucier aber real macht, sind die kleinen Erosionen, die ständig stattfinden. Diese sind es, die wir übersehen, die aber die größte Gefahr darstellen.“

In Step, Slide and Sustain (2014) für Horn, Cello und Klavier benennt bereits der Titel die musikalischen Grundbewegungen, die das Stück bestimmen: Schritt, Rutschen und Aushalten. Im Zentrum stehen Schwebungen, Interferenzen, die sich durch kleinere oder größere Verschiebungen der Tonhöhen zueinander ergeben.

Die Musiker des Abends sind ausgewiesene Spezialisten für feinste Nuancierungen, die für die Entstehung dieses intensiven Klangerlebnisses unabdingbar sind.



Glacier
Während der Aufführung spielt der Cellist ein langsames Glissando nach unten, vom f über dem mittleren c bis zum C auf der tiefsten leeren Saite. Während er das tut und wegen der Langsamkeit dieses Glissandos, werden verschiedene akustische Phänomene zu Tage gebracht. Sie schließen Obertöne, Resonanzen der benachbarten Saiten und des Korpus‘ des Instrumentes ein.
(Alvin Lucier)

I am sitting in a room
I am sitting in a room different from the one you are in now.
I am recording the sound of my speaking voice and I am going to play it back into the room again and again until the resonant frequencies of the room reinforce themselves so that any semblance of my speech, with perhaps the exception of rhythm, is destroyed.
What you will hear, then, are the natural resonant frequencies of the room articulated by speech.
I regard this activity not so much as a demonstration of a physical fact, but more as a way to smooth out any irregularities my speech might have.

Ich sitze in einem anderen Raum als dem, in dem Sie sich gerade befinden.
Ich nehme den Klang meiner Sprechstimme auf und spiele sie immer wieder in den Raum zurück, bis sich die Resonanzfrequenzen des Raums verstärken, so dass jeder Anschein meiner Sprache, vielleicht mit Ausnahme des Rhythmus, zerstört wird.
Was Sie dann hören werden, sind die natürlichen Resonanzfrequenzen des Raums, die durch Sprache artikuliert werden.
Ich betrachte diese Aktivität nicht so sehr als Demonstration einer physikalischen Tatsache, sondern eher als eine Möglichkeit, etwaige Unregelmäßigkeiten meiner Rede auszugleichen.

(Alvin Lucier)

Step, Slide and Sustain
Während der Aufführung gleiten ein Cellist und ein Hornist auf- und abwärts und halten dabei lange Töne, während ein Pianist einzelne Töne wiederholt und dabei schrittweise höher oder tiefer wird. Hörbare Interferenzen/Schwebungen entstehen, wenn die bewegten und die repetierten Töne einander kreuzen. Je dichter die Kreuzungen sind, desto langsamer ist die Schwebung, bei gleicher Tonhöhe entsteht keine Schwebung.
(Alvin Lucier)