Objects of Death & Camp Kreuzberg
Rodriguez – Weilacher & Wassiljew – ensemble mosaik
Ana Maria Rodriguez beschäftigt sich in ihrer Klanginstallation Objects of death No. 1 mit einer Welt des Abgrunds. In Kambodscha liegen hunderttausende Landminen unter der Erde, die an den Genozid erinnern und noch immer große, unbegehbare Terrains markieren. An sie sind unzählige Schicksale von Menschen gebunden, die nicht nur als Opfer einer nationalen Tragödie, sondern auch der internationalen Staatengemeinschaft zu verstehen sind. Zahlreiche Länder – DDR, Vietnam, China, Belgien, Israel, Serbien, Frankreich, Kuba, Kambodscha, Iran, Ungarn, Pakistan, Korea, Rumänien, Russland, Italien, Tschechien und USA – haben in dieses Land ihre Minen geliefert und vergraben.
Die Komponistin Ana Maria Rodriguez hat Kambodscha 2020 zum zweiten Mal bereist und gelernt, die Menschen und die Geschichte des Landes besser zu verstehen. Die Landminen-Problematik erschien ihr, aufgrund der Vielzahl der Beteiligten, umso absurder. Entsprechend suchte sie dafür in ihrer Klanginstallation Objects of death No. 1 nach einer musikalischen Metapher.
Diese Konzertinstallation besteht aus 16 asiatischen Gongs, die den Landminen in ihrer Erscheinung sehr ähneln. Bühne und Zuschauerraum sind verbunden und die Gongs sind im ganzen Raum verteilt. Sie werden mit kleinen Schallquellen (Transducern) versehen und können dadurch sowohl mittels Computer als auch durch den Schlagzeuger angeregt werden.
Mit der Fassung für Video ist der Komponistin eine überzeugende Übersetzung der Publikumsbeteiligung in das Medium der passiven Video-Rezeption gelungen.
Auch Anton Wassiljews Stück Camp Kreuzberg hat politischen Bezug. Drei Klangwirklichkeiten werden darin gegenübergestellt: die des Marianneplatzes in Berlin Kreuzberg, die eines Flüchtlingsbootes auf dem Mittelmeer und die des brennenden Flüchtlingslagers Moria.
Im Raum sind fünf Spielstationen verteilt. An jeder Spielstation befindet sich ein*e Musiker*in mit seinem/ihrem Instrument. Den Musiker*innen gegenüber befindet sich je eine Hörstation mit Kopfhörern und dem Ende eines Seils, das jede*r Musiker*in am Körper befestigt hat. Wenn sich eine Person aus dem Publikum zu einer Hörstation begibt, die Kopfhörer aufsetzt und das Seil spannt, ereignet sich eine spektrale Überblendung zwischen zwei Audio-Spuren in den Kopfhörern.
Spur 1 besteht aus Dokumentaraufnahmen und Interviews mit Menschen, die über das Meer geflüchtet sind, Spur 2 aus Dokumentaraufnahmen und Interviews der Menschen, die über den Brand des Flüchtlingslagers Moria aus dem Jahre 2020 berichten. Ein Frequenzbereich der Spur 1 wird ausgeblendet, gleichzeitig wird derselbe Frequenzbereich der Spur 2 eingeblendet. Der/Die Musiker*in spielt Töne im gerade ein- und ausgeblendeten Spektrum. Die Klangstrukturen des Stücks entstehen dabei abhängig von der Anzahl der Konzertbesucher*innen. Die Quintessenz könnte aktueller kaum sein: ohne Publikum kein Klang.
Die coronabedingt fehlenden Besucher bei dieser Uraufführung wurden in der Studiosituation durch Festivalmitarbeiter*innen ersetzt. Aus den Aufnahmen der internen Studioaufführung entstand auch hier eine Videoversion durch den Komponisten. Sie dokumentiert und transformiert die unterschiedlichen Hörperspektiven der Teilnehmer*innen in einer Bild-Ton-Collage des vielschichtigen Geschehens im Raum.
Programm und Einzelvideos
- Ana Maria Rodriguez
Objects of death No. 1UA(2020)
für einen Schlagzeuger und Elektronik, Fassung für Video - Anton Wassiljew
Camp KreuzbergUA(2020)
für Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello, Klavier und Elektronik