Einblicke in 30 Jahre Klangwerkstatt Berlin 1990 bis 2020

Musikalische Partizipation

Aufführungsbild des Projekts „Grund-Riss. metal de/con/struction“ unter der Leitung von Sylvia Hinz bei der Klangwerkstatt Berlin 2014
„Grund-Riss. metal de/con/struction“, Klangwerkstatt Berlin 2014

Musikalische Partizipation ist ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Klangwerkstatt Berlin zieht. Die digitale Ausstellung zum 30jährigen Jubiläum des Festivals stellt exemplarisch Projekte von 1990 bis heute vor, die sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise damit auseinandergesetzt haben. Die Gründungsgeschichte der Klangwerkstatt Berlin und die Musiktheaterproduktionen in den 2000er Jahren sind Teil dieses Komplexes und erweitern gleichzeitig das Spektrum der Ausstellung.

Ursprünglich als Plakatausstellung konzipiert, nutzt die Ausstellung die vielfältigen medialen Möglichkeiten des digitalen Raumes und bezieht neben Fotos und Dokumenten auch Videos und Audios mit ein. Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Dokumentation der partizipativen Projekte der Klangwerkstatt Berlin 2020.

Einführung

Partizipation
Das Teilhaben, Teilnehmen, Beteiligtsein

Partizipation ist ein Schlüsselbegriff in der musikalischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen innerhalb der letzten Dekade geworden. Der Begriff geht jedoch weit über eine musikvermittelnde Kinder- und Jugendarbeit hinaus, ist kein im engeren Sinne pädagogisch-didaktisches Konzept und sollte sich ebenso nicht verkürzen lassen auf ein punktuelles Mitmachen-Dürfen der musikalischen Laien im großen Spiel der virtuosen Profis.

Foto der Aufführung von Jessie Marinos Performance Rot Blau bei der Klangwerkstatt Berlin 2016 mit Schüler*innen der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg
Jessie Marino, Rot Blau (2009) for two performers, Aufführung bei der Klangwerkstatt Berlin 2016 mit Schüler*innen der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg

Partizipation greift in alle Ebenen der musikalischen Praxis ein. Sie verändert die Trias von Werk – Interpretation – Rezeption nachhaltig: in der Verbindung von Profis und Laien im Entstehungsprozess und in der musikalischen Arbeit, in der Öffnung des Werkes hin zu offenen Formen und diskursiven Formaten, in der Interaktion von Zuschauer*innen und Künstler*innen, im Abbau von hierarchischen Strukturen zugunsten von gleichberechtigten, kollaborativen Arbeitsformen. Und ebenso nachhaltig greift sie in die Vorstellung dessen ein, was Musik und deren Grundmaterial – der Klang – alles sein kann.

Die Klangwerkstatt Berlin, gegründet 1990 von dem Komponisten Peter Ablinger an der Musikschule Kreuzberg, hat sich diesem Thema von Anfang an intensiv gewidmet. Dabei hatte Peter Ablinger Ende der 1980er Jahre nicht primär Kinder und Jugendliche im Visier. Das Ensemble Zwischentöne, das Ablinger ins Leben rief, verband erwachsene Laien und Profis. Dessen erstes Konzert 1989 wurde zur Initialzündung für die Gründung der Klangwerkstatt.
Nicht pädagogisch-didaktische Perspektiven standen im Zentrum der Arbeit mit dem Ensemble Zwischentöne, sondern künstlerisch-ästhetische. Ablinger ging es um die Infragestellung falscher Professionalität und Routine, um die Entwicklung neuer Konzepte zwischen improvisierter und komponierter Musik. In der Zusammenarbeit entstanden dabei Stücke mit szenischem oder performanceartigem Charakter sowie Stücke, die bis in den Jazz und die freie Improvisationen hineinreichten. Darüber hinaus waren aber auch Werke zu erleben, die strengen Konzepten oder klassischen Kompositionstechniken folgten und sich immer wieder in verschiedenen Mischformen bewegten.

Dieser Ansatz wurde in vielerlei Hinsicht programmatisch für die Klangwerkstatt Berlin bis heute. Zahlreiche Projekte, Kompositionen, Konzepte, die für die Klangwerkstatt entstanden und realisiert wurden, zeugen davon. Die Liste der beteiligten Musiker*innen, Komponist*innen, Künstler*innen – ob Profis oder Laien, jung oder alt – ist lang und umfassend. In ihr finden sich Menschen, die auf diese Weise einen einmaligen Ausflug in die Musik wagten, genauso wie Künstler*innen, die heute – ob in der Neuen Musik oder in anderen Bereichen – die Kulturlandschaft prägen. Die Ausstellung will eine kleine Auswahl zentraler und interessanter Projekte, Ensembles und Künstler*innen zeigen. Sie stehen stellvertretend für eine Vielzahl anderer. Die Ausstellung präsentiert sich hier als Work in progress – in der Hoffnung, in Zukunft weitere Schätze der Klangwerkstatt-Geschichte zu heben und mit dem Wunsch, sie mögen als Anregung für zukünftige Projekte dienen.

Die Klangwerkstatt Berlin ist in ihrer nunmehr dreißigjährigen Geschichte zu einem Laboratorium und Forum partizipativer musikalischer Projekte und Konzepte geworden. Sie ist damit, wie Peter Ablinger es mit Blick auf das Ensemble Zwischentöne formulierte und einforderte, Teil „einer parallelen, einer anderen Geschichte der Neuen Musik“ (peter ablinger – biographie) geworden.

Ausschnitt aus dem Programmheft der Klangwerkstatt 1990: DDR-Bürger zahlen einen reduzierten Eintritt
Klangwerkstatt – Neue Musik in Kreuzberg 1990, Programmheft (Ausschnitt)